CR:
Max Zornos Thema ist "Mieses Marketing".
Und im Marketing ist einiges mies. Dafür
möchte ich die Leute sensibilisieren
und Anregungen geben, was man anders / besser
machen kann. Deshalb berichte ich über
eklatante Marketingfehler und mache mir
meine Gedanken zum Thema Marketing allgemein.
marke-X:
Gibt es denn über so viel Negatives
zu berichten?
CR: Ja, jeden Tag gibt es
einen neuen sensationeller Werbepatzer -
auch, wenn es doch so einfach wäre
Nur über Negatives zu berichten wäre
aber auf Dauer langweilig. Ich greife gerne
auch Themen auf, die auf den ersten Blick
wenig mit Marketing zu tun haben, und hinterfrage
sie. Aktuelles Beispiel: Die Feinstaub-Hysterie
breitete sich in Windeseile aus. Welche
Kommunikationsmechanismen stecken dahinter?
Was kann man daraus lernen, wenn man selber
eine Marketingbotschaft unter die Leute
bringen möchte? Aber nichtsdestoweniger:
Wenn es ein schönes Beispiel für
mieses Marketing gibt, richte ich gerne
meine Verbalkanone aus und feuere ab.
marke-X:
Nennen Sie mal ein aktuelles Beispiel.
CR: Aktuell hat am 1. Mai
ein Lastminute-Reiseveranstalter eine Guerilla-Werbeaktion
durchgeführt unter dem Motto "Deutschland,
wach auf". Was soll ich davon halten,
wenn ich weiß, dass die Nazis seit
1922 mit dem Spruch "Deutschland, erwache!"
geworben haben? Wer kommt auf solche Ideen?
Wie kann dieser Slogan anstandslos alle
Abstimmungshürden in der Agentur und
beim Kunden nehmen? Hat da der kleine, pseudokreative
PR-Berater am Rande der Stadt, der früher
oft den Geschichtsunterricht geschwänzt
hat, mit der jungen, unerfahrenen Marketingleiterin
kooperiert, die zur gleichen Zeit lieber
im Poesiealbum geblättert hat statt
aufzupassen?
Quelle: obs/lastminute.com
marke-X:
Ich glaube, es ist einmalig in der B2B-Blogszene,
dass jemand unter einem Kunstnamen bloggt.
Wie sind Sie darauf gekommen, "Max
Zorno" zu erschaffen? Gab es dafür
einen Grund?
CR: Ich verfolge quasi einen
"Dr.-Jekyll-Mr.-Hide-Marketingnsatz":
Auf meiner Business-Website Amitra.de biete
ich "ganz seriöse" Marketing-Beratung
an. Das ist sozusagen der Dr.-Jekyll in
mir. Dann gibt es da noch die Schwester-Website
Zorno.de. Dort wetzt Mr. Hide in Form meines
Alter Egos Max Zorno das Messer gegen Marketing-Dilettantismus.
Zorno spricht das aus, was der seriöse
Marketingberater Rothe nie sagen dürfte
- aber trotzdem gerne loswerden möchte.
Max Zorno provoziert und fällt aus
dem üblichen Rahmen; zusammen mit dem
Infotainment-Charakter des Blogs bringt
sowas Öffentlichkeit, den Treibstoff
für mein Geschäft.
marke-X:
Patrick Breitenbach von Werbeblogger.de
hat in der letzten Ausgabe des marke-X Magazins
sein Engagement als Blogger mit Info-Joggen
bezeichnet. Welche Ziele verfolgen Sie mit
Ihrem Blog?
CR: Es wäre übertrieben,
zu behaupten, dass ich die Welt verbessern
will. Aber etwas missionarischer Eifer steckt
in meinem Blog schon drin. Mich regt es
auf, wenn aus Unfähigkeit oder aus
mangelhaftem Nachdenken Marketingpatzer
begangen werden. Noch heute klingen mir
die Worte einer Agenturchefin im Ohr, die
eine drittklassiges Online-Marketing-Konzept
mit den Worten verteidigte: "Was soll
daran falsch sein? Das machen doch alle
so." Ich erlaube mir, manches zu hinterfragen,
was als vermeintliches Marketing-Gesetz
gilt.
marke-X:
Wie viele Nutzer hat Ihr Blog bzw. wie würden
Sie den Erfolg Ihrer Site generell einschätzen?
CR: Meine Website wird von
ca. 500 Besuchern täglich aufgesucht.
Über die Monate und Jahre summiert
sich da einiges. Dank Zorno.de kennen mich
somit mehr Leute, als wenn es diese Website
nicht gäbe.
marke-X:
Woher stammen Ihre Nutzer? Hört man
eher über Mund-zu-Mund Propganda von
Zornos Tagebuch oder eher über Empfehlungen
anderer Blogs, über Suchmaschineneinträge,
etc.?
CR: Ihre Auflistung trifft
die Besucherquellen recht genau. Es ist
ein bunter Mix von Quellen, aus denen die
Leute zu mir strömen: Am wertvollsten
würde ich momentan ein gutes Ranking
in den Suchmaschinen einstufen; Platz zwei
geht an die Auflistung meiner Site in den
Blogrollen anderer Blogger; und die Verlinkung
einzelner Seiten oder Beiträge meiner
Website nimmt den dritten Platz ein. Für
das Ego ist es natürlich klasse, wenn
ein viel gelesenes Top-Blog einen erwähnt
- aber der Besucherzustrom dadurch ist meistens
nur ein kurzes Strohfeuer.
marke-X:
Außer Ihrem Tagebuch, bieten Sie Ihren
Nutzern auf der Website Zorno.de noch eine
Menge weiterer Informationen wie beispielsweise
die "Galerie des miesen Marketing".
Dadurch unterscheiden Sie sich enorm von
anderen Blogs. Wird das von Ihren Lesern
gut angenommen?
CR: Mittlerweile ist meine
Website im Internet recht gut verlinkt.
Ich schätze, dass 50% der verweisenden
Links auf das Konto meines Blogs gehen und
die anderen 50% auf die übrigen Infoseiten
wie die "Galerie des miesen Marketings".
marke-X:
Verdienen Sie etwas mit Ihrem Blog? Die
üblichen AdSense Anzeigen findet man
bei Ihnen ja nicht.
CR: Mein Ziel ist es, Beratungsaufträge
als Marketingberater zu generieren. Ich
verdiene also nur indirekt etwas über
die Kundenkontakte und Aufträge, die
über meine Zorno-Website zustande kommen.
Mittels Adsense-Anzeigen könnte ich
den einen oder anderen Euro nebenher mitverdienen;
ich leiste mir den Luxus, darauf zu verzichten.
CR:
Woher bekommen Sie die Anregungen zu Ihren
Beiträgen?
CR: Ich halte die Augen und
Ohren offen. Manche Ideen beziehe ich aus
dem Netz, andere durch Zeitungslektüre.
Und immer öfter melden sich Tippgeber:
"Zorno, schreib doch mal über
dieses oder jenes."
marke-X:
Wie viel Zeit verschlingen Ihr Blog und
natürlich der Rest Ihrer Site?
CR: Gott sei Dank führe
ich darüber kein Buch - dessen Fazit
würde wohl lauten, dass es zu viel
Zeit wäre. Hunderte von Arbeitsstunden
für Konzept, Design, Programmierung
und Inhalte sind bereits in die Website
geflossen. Und jeden Tag kommen vielleicht
30 bis 60 Minuten hinzu für Schreiben
von Beiträgen und Beantworten von Kommentaren.
marke-X:
Welches Marketing Potenzial lässt sich
durch Blogs generell erschließen?
CR: Stets weniger, als ein
frisch geborener Blogbetreiber in der Anfangseuphorie
erhofft. Ich denke, dass das Marketingpotenzial
langfristiger Natur ist. Mit einem Blog
kann man sich Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit
erarbeiten: Wenn potenzielle Kunden schon
länger in einem Blog gelesen haben,
dann neigen Sie dazu einem zu vertrauen.
Außerdem kann man über ein Blog
gut vermitteln, wie man "tickt".
Mögliche Kunden können besser
einschätzen, was auf sie zukommt, wenn
sie mit mir zusammenarbeiten.
Als "Kundengewinnungsmaschine"
taugt ein Blog dagegen nur mit Einschränkungen
- zumindest nach meiner Erfahrung. Auch
ich gehöre zu den armen Kerlen, die
jede Woche hundertmal mehr Spam-E-Mails
bekommen als Kundenanfragen.
marke-X:
Was sind die Erfolgsfaktoren eines Business
Blogs? Und was sind häufige Fehler
und Stolpersteine?
CR:
Als Erfolgsfaktoren möchte ich fünf
Aspekte nennen:
- inhaltliche
Substanz:
Biete mehr als nur Belanglosigkeiten.
- eigenständige
Gedanken: Biete mehr als das Wiederkäuen
von Themen aus fremden Quellen.
Reichere Dein Blog durch Gedanken, Meinungen,
Sichtweisen an, die ein Leser nur bei
Dir findet und nirgendwo anders. Sei dabei
authentisch.
- Relevanz:
Schreibe über Dinge, die die Menschen
beschäftigen.
- Überraschungsvermögen:
Überrasche deshalb Deine Leser immer
wieder mit Themen und Gedanken, die sie
bei Dir nicht erwartet hätten. Vorhersagbarkeit
macht ein Blog langweilig.
- thematischer
Fokus:
Vermeide es aber, ein Gemischtwarenladen
zu sein. Wähle für Deine Blog
einen inhaltlichen Aufhänger und
bleibe ihm treu.
marke-X: Was für ein Blog fehlt - Ihrer
Meinung nach - noch in Deutschland? Oder
gibt es schon alles?
CR: Mir fehlt der Überblick
über die Blogszene, um mir auch nur
ansatzweise ein Urteil erlauben zu können.
Dass etwas gefehlt hat, merkt man meistens
erst dann, wenn es da ist. Oder haben uns
vor 15 Jahren Handy, World Wide Web und
Blogs gefehlt?
marke-X:
Natürlich würden unsere Leser
noch gern erfahren, welche Marketing Blogs
Max Zorno gerne liest.
Zu meinen Favoriten gehören
-
Werbeblogger:
Fakten und Geschichten aus Werbung und
Marketing - mit einem Bienenfleiß
zusammengetragen von Patrick Breitenbach,
Andreas Rodenheber, Lene Steinmann &
Co.
- Karl-Heinz
von Lackums Werbeblogg: Karl-Heinz
ist ein feinsinniger Querdenker. Er schreibt
nur gelegentlich neue Blogbeiträge;
sie begeistern mich aber stets durch Substanz
und ein eigenständiges Profil.
- Und
dann lese ich noch die "üblichen
Verdächtigen" wie das M-E-X-Blog,
Klaus
Ecks PR-Blogger, Martin
Röll & Co.
Herr Rothe, ich bedanke mich recht herzlich
für das Gespräch.
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