Herdenverhalten
setzt ungleich verteilte Informationen voraus
Herdenverhalten
wird zumeist mit asymmetrisch verteilten
Informationen erklärt. Asymmetrisch
heißt: Nicht alle Marktteilnehmer
verfügen über die gleichen Informationen.[2]
Die
Folge: Hegen Konsumenten die Meinung, dass
andere Konsumenten über bessere Informationen
als sie selbst verfügen, so deuten
sie deren Marktverhalten (z.B. den
Kauf eines Produkts oder das Nutzen einer
Dienstleistung) als Folge dieser besseren
Informationen.
Ergebnis:
Sie vermeiden aufwendige Eigenrecherchen
und folgen dem Entschluss der anscheinend
besser informierten Marktakteure. Dadurch
verkürzt sich nicht nur die Entscheidungsdauer,
sondern es verbessert sich in der Regel
auch die Qualität der Entscheidung.
Denn: "Ein Produkt zu kaufen, dass
von Hunderten anderer Menschen ebenfalls
erworben wurde, kann nicht schlecht sein".
Herdenverhalten im Internet
Auch
wenn das Internet schier unerschöpfliche
Möglichkeiten zur Recherche bietet
und damit die theoretische Basis schafft,
sich unabhängig und kompetent zu fast
allen Themen zu informieren, ist Herdenverhalten
auch hier an der Tagesordnung. Der Grund:
Auch im Internet sind ungleich verteilte
Informationen die Regel. Die Ursachen
sind nahezu die gleichen, wie in der Offline-Welt:
- Mangelnde
Zeit
Niemand kennt sich in allen Themengebieten
gleich gut aus. Um sich eine unabhängige
Meinung zu einem Produkt wie z.B. zu einem
Staubsauger oder einer Digitalkamera zu
bilden, hilft also nur zu recherchieren.
Doch das kostet Zeit. Und die ist heutzutage
kostbar. Problem: Wie viele Produkte
und Marken soll man in seine Analyse mit
einbeziehen? Welche Produktcharakteristika
sind überhaupt relevant? Soll man
Testergebnisse heranziehen oder doch lieber
Verbrauchermeinungen vertrauen? Wie viele
Meinungen reichen für ein unabhängiges
Urteil aus? Welchen Testmagazinen, Bloggern,
Forumsteilnehmern kann man eigentlich
vertrauen? Welcher Tester hat die gleichen
Ansprüche an das Produkt wie ich?
Etc. Wenn man erst einmal anfängt
zu recherchieren, tauchen häufig
mehr Fragen auf als man beantwortet findet.
Ergo: Für eine intensive Sichtung
der Fülle an zur Verfügung stehender
Informationen reicht bei vielen Produkten
die Zeit der Konsumenten einfach nicht
aus.
- Schwierige
Informationsbewertung
Selbst wenn sich jemand die Mühe
macht, zu vergleichen und ein Produkt
identifiziert, dass seinen Ansprüchen
entspricht, hilft das nicht unbedingt
weiter. Denn wie verfährt man mit
widersprüchlichen Informationen?
So kann es durchaus passieren, dass das
gewählte Produkt in einem Blogartikel
zerrissen und andererseits in einem Testmagazin
gelobt wird. Oder ein aktueller Testbericht
wertet vorangegangene Testergebnisse ab,
weil beispielsweise eine neue Produktgeneration
den Markt erreicht hat. Zu allem Überfluss
kann ein mittelmäßig bewertetes
Produkt schnell die Bestsellerlisten stürmen,
wenn es durch eine Preissenkung plötzlich
ein einmaliges Preisleistungsverhältnis
bietet.
- Schwierig
zu findende Informationen
Schließlich gibt es auch im Internet
nicht zu allen Produkten leicht zugängliche
Informationen. Bei neuen Artikeln oder
spezielleren Produkten kann es durchaus
vorkommen, dass man sehr wenig oder gar
keine Informationen findet. Wobei nicht
zu vergessen ist, dass die Möglichkeit
Informationen zu finden, auch von den
individuellen Fähigkeiten
des Konsumenten abhängt mit z.B.
Suchmaschinen umzugehen.
Letztlich
steht der Online-Shopper mit seiner Entscheidung
allein dar und weiß nicht, ob er alles
berücksichtigt hat und welche Informationen
wie zu bewerten sind.
Die
Folge: Viele Menschen vertrauen bei ihrer
Kaufentscheidung der Masse. Sie ziehen
eine Reihe von Alternativen in die engere
Wahl und schauen, welches dieser Produkte
wohl am meisten verkauft wurde. Dabei bemerken
die meisten Konsumenten ihr Orientierungsverhalten
nicht einmal. Ganz unbewusst suchen Sie
sich einen Shop aus, der zu den Großen
gehört, zählen die Rezensionen
bei Amazon oder suchen kurz vorm Kauf noch
einmal die Bestsellerlisten auf.
Herdenverhalten im Marketing nutzen
Übertrieben
gesagt, hat sich trotz Internet kaum etwas
verändert. Weiß ein Konsument
nicht genau, was er kaufen soll, dann vertraut
er der Einschätzung der Mehrheit. Doch
die Virtualität des Internets
hat einen entscheidenden Unterschied zur
Realität. Steht ein Kunde unentschlossen
vor einem Weinregal, dann ist der Riesling
mit den wenigsten Flaschen im Regal, augenscheinlich
der beliebteste. Im Internet sieht er nur
das, was der Websitebetreiber ihn sehen
lassen will. Genau an dieser Stelle bieten
sich viele Möglichkeiten der Beeinflussung
des Konsumentenverhaltens.
Ein
paar Strategien und Taktiken:
1.
Visualisieren Sie Ihre Beliebtheit
Ob
auf Ihrer Website oder in der Werbung: Zeigen
Sie Ihren Kunden, dass er mit Ihnen nichts
falsch machen kann. Veröffentlichen
Sie auf allen wichtigen Seiten Ihres Internetangebots
Kennzahlen zur Nutzung und zur Beliebtheit
Ihrer Leistung. Hierzu zählen u.a.:
- Kundenzahlen
- Mitgliederzahlen
-
Newsletter Abonnenten
- Etc.
Aber:
Hände weg von Besucherzählern.
Kein potenzieller Kunde kann einschätzen,
ob 20.000 Besucher seit Inbetriebnahme der
Website ein guter oder ein schlechter Wert
ist. Die Aussage "über 4.000 zufriedene
Kunden pro Jahr" macht da schon viel
mehr her.
Wichtig!
Masse ist nicht immer gleich Klasse. Wer
eine anspruchsvolle und elitäre
Klientel bedient, sollte auf plakative
Zahlen verzichten oder zumindest auf den
richtigen Ton achten:
Schlecht:
"Über 6.500 Newsletter-Abonnenten"
Gut: "Gehören sie zum erlesenen
Kreis von 6.500 Internet Marketing Spezialisten..."
2. Veröffentlichen Sie Lob und Meinungen
Kaum
etwas anderes sagt mehr über die Qualität
und die Beliebtheit einer Leistung
aus als das Lob seiner Abnehmer (engl. Testimonial).
Und je mehr Lob, desto besser. Sammeln Sie
daher alle positiven Äußerungen
Ihrer Kunden zu Ihrem Unternehmen und Ihren
Leistungen und veröffentlichen Sie
diese auf einer gesonderten Seite Ihrer
Website. Fragen Sie ruhig auch bei ein paar
großen Kunden direkt an und bitten
Sie sie um ein kurzes Statement zu Ihrem
Unternehmen. Holen Sie sich zu allen Meinungsäußerungen
aber unbedingt die Erlaubnis der Verfasser
ein. Und: Veröffentlichen Sie nur Aussagen
mit voller Referenz - bei Geschäftskunden
sind das: Vorname, Nachname, Position, Unternehmensname
sowie Link zur Website und bei Privatpersonen:
Vorname, Nachname, Ort.
"Macht Eindruck": Das marke-X
Magazin veröffentlicht Lob seiner Leser
auf einer seperaten Seiten[3]
3. Detaillierte Bestsellerlisten
Bestsellerlisten
sind der Klassiker, wenn es um die gezielte
Nutzung des Herdenverhaltens im Marketing
geht. Doch der Erfolg ist abhängig
von ihrem Detailgrad. Einfach nur die 10
am meisten verkauften Produkte zu listen,
reicht allenfalls für Shops mit einem
sehr eingeschränkten Sortiment. Ab
100 Produkten und mehreren Kategorien benötigen
Nutzer feinere Abstufungen. Es gibt
nichts ärgerlicheres, als in einem
Haushaltwaren-Shop nach den meistverkauften
Staubsaugern zu suchen und nur Kaffeemaschinen
und Latte Machiatto Gläser bei den
Topsellern zu finden, weil diese gerade
reißenden Absatz finden. Generell
gilt: Mindestens für jede Kategorie,
eine Bestsellerliste. Zusätzlich lohnt
es sich, den Verkaufsrang jedes Produkts
mit auf der Produktübersichtsseite
anzugeben.
Bei Amazon lassen sich zu jeder Unterkategorie
die aktuellen Topseller anzeigen (Quelle:
Amazon.de)[4]
4. Das Phänomen Knappheit
Knappheit
ist ein weiteres Indiz für Menschen,
um Rückschlüsse auf die Beliebtheit
eines Produkts zu schließen. Vor allem
bei Unsicherheit greifen Konsumenten daher
im Laden gern mal zu dem Artikel, dessen
Regalplatz fast leer ist. Im Internet können
Lagerstandsanzeigen diesen Aspekt visualisieren
und Konsumenten damit Orientierungspunkte
liefern.
Letzte
Chance: Auffällig visualisiert Discount24
die Verfügbarkeit eines Produkts mittels
Lagerstand (Quelle: discount24.de)
5. Ermöglichen Sie den Austausch
der Konsumenten untereinander
Auch
die Anzahl an Kommentaren und Rezensionen
zu einem Produkt oder einer Dienstleitung
beeinflusst die Wahrnehmung seiner
Beliebtheit. Es gilt die einfache Regel:
Je mehr Kommentare oder Rezensionen
ein Objekt auf sich vereint, desto gefragter
muss es wohl sein. Ermöglichen Sie
daher den Kunden ihres Shops ihre Meinung
zu einem Produkt abzugeben. Integrieren
Sie eine Kommentarfunktion oder ein Bewertungssystem.
Was sagen andere zum Produkt? Alternate
bietet seinen Kunden die Möglichkeit
Kommentare abzugeben (Quelle: alternate.de)
6. Sammeln Sie Wissen für Ihre Kunden
Wo
beginnt idealerweise die Recherche nach
einem relevanten Produkt bzw. Dienstleister?
Bei einer Suchmaschine, in einem Forum oder
auf einem Meinungsportal? Nein. Am besten
natürlich bei Ihnen. Dazu muss Ihr
Informationsangebot aber umfangreich
sein. Sammeln Sie daher zu jedem Produkt
(respektive zu jeder Dienstleistung) Testergebnisse,
Rezensionen aus Weblogs, Lob aus Foren und
Besprechungen auf Meinungsplattformen wie
Ciao oder Dooyoo und veröffentlichen
Sie die Kernaussagen auf Ihrer Website.
Kombiniert mit einer stetig aktualisierten
Bestsellerliste bieten Sie Ihren Kunden
damit eine hochwertige Anlaufstation zur
umfassenden Recherche.
Amazon listet neben Verkaufsrang und Kundenbewertungen
auch die Testergebnisse zu einem Produkt
(Quelle: Amazon.de)
Herdenverhalten und Manipulation
Durch
die Virtualität des Internets kann
natürlich niemand überprüfen,
ob Sie tatsächlich 2000 Kunden pro
Monat haben, Ihr Lager zu bestimmten Produkten
wirklich fast geleert ist oder alle Artikel
in der Bestsellerliste wahrhaftig reißenden
Absatz finden. Dadurch bieten sich durch
die Nutzung des Herdenverhaltens nicht nur
Möglichkeiten der Beeinflussung, sondern
auch zur Irreführung. Woher
soll ein Kunde denn auch wissen, ob Sie
die Wahrheit schreiben oder nicht. Doch
Vorsicht! Lügen haben bekanntlich kurze
Beine. Und in der transparenten Welt des
Internet kommt "Schmu" relativ
schnell heraus. Sind erst die ersten Vermutungen
zu Manipulationsversuchen im Umlauf, gibt
es kaum Möglichkeiten der Schadensbegrenzung:
Das Vertrauen Ihrer Kundschaft in Sie ist
verloren. Seien Sie daher besser ehrlich
und kommunizieren Sie immer authentisch.
Das lohnt sich langfristig Hundertmal mehr
als jede noch so kleine Manipulation zur
kurzfristigen Umsatzsteigerung.
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