Jochen
Krisch: Exciting Commerce zeigt
hoffentlich, dass es im elektronischen Handel
jede Menge hoch spannende Verkaufskonzepte
gibt. Und dass E-Commerce in Zukunft mehr
sein wird als Shops und Kataloge.
marke-X:
Welcher Eintrag bzw. welche Einträge
der letzten Monate "beschreiben"
den Geist bzw. den Charakter Ihres Blogs
"Exciting Commerce" am besten?
Jochen
Krisch:
Das Woot!-Live-Special[1] im November, die
Beiträge zu den neuen Business-Chancen
im E-Commerce (s. standardisierte Shoppinglösungen[2]
mit Zukunft und Shopping Blog Widgets[3]),
aber natürlich auch die vielen kleinen,
täglichen Meldungen und Ideen. Im Prinzip
soll jeder Blogeintrag eine neue E-Commerce-Facette
beleuchten.
Spannende
Ideen und neue Konzepte: Exciting Commerce
stellt sie vor...
marke-X:
Was hat Sie an diesen Themen besonders gereizt?
Jochen
Krisch:
Aufzuzeigen,
wie wichtig aktive und kundengetriebene
Verkaufskonzepte sind und welche Rolle sie
in Zukunft spielen werden, wenn in Nischenmärkten
(heute spricht man ja gerne vom Long-Tail-Bereich[4])
klassische Marketingkonzepte an Zugkraft
verlieren.
marke-X:
Sie betiteln die Hauptrubriken Ihres Weblogs
mit "Die neuen Händler",
"Die neuen Tools" und "Die
aufregendsten Konzepte". Was behandeln
Sie hier?
Jochen
Krisch:
Wenn
man sich ansieht, wer die Innovationstreiber
im E-Commerce sind, dann stellt man schnell
fest, dass kaum klassische Händler
darunter sind. Die Impulse kommen in der
Regel von "neuen Händlern":
von den Amazons, den Ebays, den Tchibos
und vielen kleinen Händlern, die unvorbelastet
und sehr erfolgreich Neues ausprobieren.
Diese Händler sind es, die mit "neuen
Verkaufstools" - seien es Weblogs,
Social Shopping Tools oder andere Aktions-
und Kommunikationstools - herumexperimentieren
und mit neuen, "spannenden Konzepten"
auf den Markt kommen.
marke-X:
Woher nehmen Sie die Ideen für neue
Einträge?
Jochen
Krisch:
Die
Ideen ergeben sich meist aus der persönlichen
Interessenslage. Oft holt einen aber auch
die aktuelle Entwicklung ein. Gerade ist
die Experimentierfreude im E-Commerce sehr
groß. Und Themen lassen sich frühzeitig
aufgreifen, weil sie durch Weblogs sehr
früh zugänglich sind. Für
jemanden, der neugierig auf die Zukunft
ist, macht es Spaß, diesen neuen Ideen
nachzuspüren.
marke-X:
Laut einer Umfrage der internet World Business
(Ausgabe 06/06) denken 60% der deutschen
Online-Händler nicht einmal über
den Einsatz von Weblogs zur Kundenansprache
nach. Woran mag das liegen?
Jochen
Krisch:
Der
klassische Handel ist gerade erst so halbwegs
im Internet angekommen. Verständlicherweise
will er sich da nicht schon wieder mit neuen
Online-Themen herumschlagen, zumal mit so
suspekten wie Weblogs oder dem Web 2.0.
Multi-Channel-Händler wie Otto, Quelle
& Co. haben gerade jede Menge andere
Sorgen in ihren klassischen Vertriebswegen.
Man vergisst oft, dass das Internet für
sie ja immer noch eher ein Randthema ist.
Deshalb ist es interessant, auf reine Internethändler
zu achten. Da ist die Lust auf Weblogkonzepte
spürbar höher. Alleine in diesem
Jahr haben Dutzende von Händlern Weblogs
gestartet (s. Blogliste bei del.icio.us[5]),
zuletzt auch größere Nischenplayer
wie Cyberport oder Zooplus, die SZ-Mediathek
hat ein Krimiblog, viele experimentieren
damit. Auch regionale Anbieter wie die Kelterei
Walther merken, wie sie von ihrem Weblog
profitieren und plötzlich von Kunden,
Geschäftspartnern und Wettbewerbern
ganz anders wahrgenommen werden (s. Walthers
Saftblog[6]).
Immer
mehr Händler eröffnen Weblogs
oder locken mit Erlebniskonzepten potentielle
Kunden (Quelle: del.icio.us)
marke-X:
Welche Potenziale birgt das Web 2.0 für
Online-Händler? Wie wird sich der elektronische
Handel Ihrer Meinung nach in den nächsten
Jahren entwickeln?
Jochen
Krisch:
Das Web 2.0 ist das erste Mitmach-Medium
im großen Stil. Das können Händler
für sich nutzen, indem sie ihre Kunden
mit Web 2.0 Tools und Konzepten aktivieren
und so stärker an sich binden. Ich
benutze statt des technischen Begriffs Web
2.0 lieber Begriffe wie Live Web oder Social
Web, weil sie besser zum Ausdruck bringen,
worum es eigentlich geht. Der elektronische
Handel wird vielfältiger, und wir sehen
jetzt schon, wie er vor allem Nischenanbietern
neue Chancen bietet. Neben klassischen E-Commerce-Konzepten
(= Shops und Kataloge) werden Live-Shopping-Konzepte
und Social-Commerce-Konzepte an Bedeutung
gewinnen, weil Händler damit in einer
fragmentierten (Shopping-)Welt weitaus mehr
Aufmerksamkeit erzielen können.
marke-X:
Über welche Erlebnis steigernden Elemente
sollte jeder Online-Händler derzeit
zumindest nachdenken?
Jochen
Krisch:
Das
Erlebnis steigernde Element, das die meisten
Händler heute einsetzen, ist der Newsletter.
Newsletter sind letztlich nichts anderes
als rudimentäre (Offline-)Blogs. Einmal
abonniert, bekommt man die aktuellsten Themen/Angebote
zugesandt und kann entsprechend darauf reagieren.
Wer das Gefühl hat, dass Newsletter
verkaufsfördernd wirken, aber bei den
Stammkunden ein natürliches Limit erreicht
haben, sollte sich überlegen, ob er
auf Dauer nicht mit einem öffentlichen
Weblog besser fährt.
marke-X:
Welche neuen Konzepte und Websites aus Deutschland
finden Sie besonders interessant und warum?
Jochen
Krisch:
Für
mich sind QVC und 1-2-3.tv [8] wegweisend,
was den Live-Handel in den elektronischen
Medien angeht. Im Internet beobachte ich
den Shirtdienst Spreadshirt [8] sehr interessiert,
weil die Leipziger sehr experimentierfreudig
sind, was Web 2.0 Konzepte angeht. Außerdem
kann man von Spreadshirt lernen, wie man
den dezentralen Verkauf organisiert. Konzeptionell
interessant ist Sozeug.net, weil man hier
kein Händler sein muss, um schnell
und einfach zu verkaufen. Und im Peer-to-Peer-Handel
finde ich Produkttauschbörsen wie Hitflip
[9] spannend.
marke-X:
Und welche Websites aus den USA sind erwähnenswert?
Jochen
Krisch:
Da gibt es mittlerweile Dutzende. Die Spannendsten
sind Woot! [10] ("One Day, One Deal")
als Vorreiter im Live-Geschäft, Etsy
[11] ("All Things Handmade") als
Trendsetter im Bereich Mitmachen/Selbermachen,
Threadless [12] als typischer Crowdsourcing-Vertreter
und MyPickList [13] als frühes Beispiel
für Social Commerce. Mindestens ebenso
spannend finde ich allerdings, wie Ebay
und Amazon mit Innovationen auf die Entwicklung
reagieren. Amazon Connect [14] und Ebays
Collector´s Corner [15] sind zwei
bemerkenswerte Konzepte.
Innovatoren
wie Etsy revolutionieren klassische Online-Shopping-Konzepte
(Quelle: etsy.com)
marke-X;
Martin Oetting (connectedmarketing.de) hat
im Interview sein Engagement als Blogger
u.a. mit einer aufklärerischen "Mission"
verglichen. Andreas Milles und Tommi Brem
von Companice haben einfach Spaß beim
Bloggen und suchen Anerkennung. Nico Zorn
schätzt hingegen die neuen Kontakte,
die er über seine Blogs erhält.
Welche Ziele verfolgen Sie mit Ihrem Blog?
Jochen
Krisch:
Für
mich ist das Weblog Mittel zum Zweck, einerseits
um Ideen publik zu machen, die noch unter
dem Wahrnehmungsradar der Fachmedien liegen.
Andererseits möchte ich aber auch lernen,
wie der Wissensaustausch via Weblog funktioniert.
Fachleute konnten sich noch nie so schnell
und direkt miteinander vernetzen. Es ist
erstaunlich, wie schnell man in Kontakt
kommt, wenn man Ideen frühzeitig publiziert,
welche Eigendynamik sich daraus entwickelt
und wie viel man in kürzester Zeit
voneinander lernen kann.
marke-X:
Wie viele Nutzer hat Ihr Weblog bzw. wie
würden Sie den Erfolg Ihrer Site generell
einschätzen?
Jochen
Krisch:
Mittlerweile
sind es an die 1.000 Nutzer, die das Weblog
mehr oder weniger regelmäßig
lesen. Wichtiger als die absolute Nutzerzahl
sind jedoch die Besucher, die beinahe täglich
vorbeischauen. Am meisten erstaunt mich
immer wieder, wieviele hochkarätige
Branchenexperten mitlesen. Das Weblog sollte
sich ursprünglich ausschließlich
an experimentierfreudige Händler wenden.
Natürlich war die Hoffnung da, dass
andere Blogger das ein oder andere Thema
aufgreifen und weitertragen. Nicht gerechnet
hatte ich allerdings mit der Resonanz in
der Fachpresse. Inzwischen würde fast
etwas fehlen, wenn Fachmedien wie iBusiness
oder Internet World Business keine Exciting
Commerce Geschichten mehr aufgreifen würden.
Kurz gesagt: Der Erfolg der Website hat
meine Erwartungen weit übertroffen.
marke-X:
Natürlich würden unsere Leser
noch gern erfahren, welche Marketing Blogs
und eZines Jochen Krisch am liebsten liest
(auch international).
Jochen
Krisch:
Ich
gestehe, dass ich mit klassischem Marketing
wenig anfangen kann und ich mich, wenn überhaupt,
dann nur für alternative Marketingformen
begeistern kann. Das sind für mich
die derzeit spannendsten Inspirationsquellen
aus dem Marketingbereich:
marke-X:
Herzlichen Dank für das Gespräch
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